Hamburger Morgenpost – Zwei „leichte Jungs“ mit schwerem Schlag
Das Hamburger Ruder-Duo treibt der Traum von einer Medaille an – und eine verrückte Wette
Es ist die pure Idylle. Der Domsee im schleswig-holsteinischen Ratzeburg ist ganz glatt. Kein Wind, keine Wellen, keine Geräusche. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. In der Ruderakademie Ratzeburg bereitet sich die deutsche Elite auf die Olympischen Spiele in London vor.
Unter den Athleten sind die Hamburger Bastian Seibt (34) und Lars Wichert (26). Zusammen starten sie im Leichtgewichts-Vierer ohne Steuermann.
Vier Jahre ist es her. Olympia 2008 in Peking. Seibt qualifizierte sich, damals noch ohne Wichert, für den Endlauf im Leichtgewichts-Vierer. Dem Traum, eine Medaille zu gewinnen war der Mann vom Hamburger Ruderclub Germania ganz nah. Doch die Medaillenfavoriten mussten passen. Eine bakterielle Infektion, verursacht durch eine Bus-Klimaanlage, verhinderte den Finalstart. Seibt war nur Zuschauer. Mittlerweile hat er das verarbeitet. „Das war eine bittere Sache. Aber man konnte
keinem die Schuld geben. Es gab kein wenn und hätte“, sagt der 34-Jährige heute.
Vier Jahre später sieht die Welt ganz anders aus. Seibt sitzt nun mit Lars Wichert in einem Boot. Seit 2009 sind die beiden ein Team. „Wir haben uns damals ins Boot gesetzt und sofort London als gemeinsames Ziel ausgemacht“, erinnert sich Wichert, der ein Jahr zuvor aus Berlin nach Hamburg kam. Seitdem haben sie alles dafür gegeben, auf ihr Gewicht geachtet und sich in Top-Form gebracht. Antreiben, tun sie sich gegenseitig. „Ich bringe das Feuer rein und Basti die Ruhe“, sagt der acht Jahre jüngere Wichert mit einemdicken Grinsen und bekommt sofort den Konter: „Manchmal muss man den Lars sogar ein bisschen bremsen.“ Die beiden verstehen sich gut, schätzen aneinander vor allem den Ehrgeiz und die akribische Arbeit, die ihnen in ihrer umkämpften Bootsklasse die Olympia-Nominierung einbrachte.
Die Vorfreude auf das Ruder-Mekka London ist groß. Wichert: „Es ist schon etwas besonderes, auch noch in der Geburtsstätte des Ruderns um eine Medaille zu kämpfen.“ Auf einen Talisman oder besondere Rituale verzichten die beiden Hamburger. Es würde wohl auch nichts bringen: Bei der WM 2011 in Slowenien wurde die Wettkampfvorbereitung je gestört. Seibt reiste mit einem angeschwollenem Mückenstich am Arm an. Die beiden konnte nicht im Boot trainieren. Kaum wieder fit, stach Kollege Wichert eine Wespe in die Zunge – wieder Trainingspause. Am Ende gab es Bronze.
Viel schlimmeres kann dem Duo kaum noch widerfahren. Das Finale ist das Ziel, „und da ist die Tagesform entscheidend“, versichert Seibt.
Sollten die beiden Ruderer mit Edelmetall nach Hamburg zurückkehren, haben Bastian Seibt und Lars Wichert direkt ein Versprechen einzulösen: „Dann schwimmen wir einmal durch die Alster.“ Top, die MOPO-Wette gilt.
Jan-Hendrik Schmidt