Rudern in Hamburg – Leichtgewichts-Zweier ohne

Jul 11 2012

Beitrag von Bastian

Die Welt – Das Rennen um Gold kann beginnen

“Welt”-Serie: Hamburgs Teilnehmer an den Olympischen Spielen. Folge 1: Die Ruderer
Rudern gehört in Hamburg zu den Sportarten, die als besonders förderungswürdig gelten. Erst kürzlich stellte Sportsenator Michael Neumann ein Konzept vor, auf der Binnenalster Sprintwettkämpfe zu veranstalten und damit die Randsportart aus der Abgeschiedenheit der Regattastrecke in Allermöhe zu den Menschen zu holen, ihnen das Rudern in reizvoller Umgebung mitten in der Stadt zu präsentieren. Eine Maßnahme, die Hamburgs Weltklasseruderer zwar befürworten, doch hätte sich Bastian Seibt (35) etwas mehr gewünscht: “Nach dem Rückzug Münchens bestand die Möglichkeit, eine Weltcup-Etappe fest in Hamburg zu etablieren. Aber das hat die Politik leider nicht gewollt.” Jährlich 600.000 Euro hätte der Senat zuschießen müssen – offenbar zu viel in Zeiten von Schuldenbremsen und Sparhaushalten.

Nun könnten Seibt (Hamburger und Germania RC), sein Teamgefährte Lars Wichert (RC Allemannia) sowie Eric Johannesen (RC Bergedorf), der im Kraftzentrum, dem sogenannten Maschinenraum, des Deutschland-Achters knüppelt, dafür sorgen, dass die Ruderei aus dem Schatten ans Licht tritt und für Sponsoren eventuell attraktiver wird. Dazu allerdings müsste das hanseatische Dreigestirn bei den Olympischen Spielen in London Topleistungen erbringen.

Die Ausgangslage ist divergent. Der eine, Johannesen, hat als einer von 20 Aspiranten und als erster Hamburger überhaupt den Sprung in den Deutschland-Achter geschafft. Er ist damit einer der heißesten Hamburger Kandidaten auf Gold. Für Lars Wichert und Bastian Seibt wäre nach den bislang erbrachten Leistungen schon das Erreichen des Endlaufs im Leichtgewichtsvierer ohne Steuermann ein Erfolg.
Die Olympia-Qualifikation für diesen Vierer erfolgte über Zweier-Ranglisten, Ergometer- und Bootbesetzungstests in Trainingslagern. Seibt und Wichert hatten dabei früh die Nase vorn. Wer mit ihnen gemeinsam an den Riemen reißen würde, deutete sich im April an. Seitdem bereiten sich die Hamburger, vereint mit den Zwillingen Martin und Jochen Kühner, auf die Aufgabe vor. Für Seibt fast schon Gewohnheit, denn mit den Saarbrückern bestritt er schon die Spiele 2008 und die WM 2010.

Der achte Platz bei der Rotsee-Regatta in Luzern mit dem Verpassen des Finallaufs war freilich nicht gerade ein leistungstechnisches Ausrufezeichen des Quartetts. “Da hat sich gezeigt, dass uns noch einiges fehlt, um in London den Endlauf zu erreichen”, fasst Wichert die Erkenntnisse von Luzern zusammen. Dennoch bestehe Anlass zur Zuversicht: “13 Boote werden bei Olympia starten, davon können zwölf locker ins Finale fahren.” Und welches nicht? “Die Polen”, antwortet Wichert. Sie hinkten nach den Eindrücken beim Weltcup den anderen etwas hinterher. Doch dann fällt ihm ein, dass es vor vier Jahren ähnlich war: “Da waren die Polen beim Weltcup auch immer abgeschlagen und haben in Peking Silber geholt.”
Auf jeden Fall sei die Leistungsdichte enorm, was damit zusammenhänge, dass die stärksten leichtgewichtigen Riemenruderer – zusammen dürfen sie maximal 280 Kilo wiegen – weltweit nur im Vierer eine Olympiachance haben. Nachdem der deutsche Cheftrainer Hartmut Buschbacher entschieden hatte, die Weltcup-Etappe von München zugunsten intensivierter Trainingseinheiten ausfallen zu lassen, reißt der Vierer in diesen Wochen Kilometer auf dem Wasser ab und feilt an der Technik.

Auch der Achter, das viel besungene “Flaggschiff” des Deutschen Ruderverbandes, sparte sich den Start in München, nachdem die Recken den Endlauf in Luzern unerwartet sicher gewannen. Der befürchtete Schlussangriff der Kanadier, die im Halbfinale noch Weltbestzeit gerudert waren, blieb aus. Zuvor in Belgrad hatte der Deutschland-Achter die attackierenden Briten sicher in Schach gehalten.
Diese Eindrücke genügten Bundestrainer Ralf Holtmeyer, und als auch noch ein Grippevirus unter der Besatzung wütete, blies er weitere Rennen ab. Johannesen glaubt, das sei eine gute Entscheidung gewesen: “Wir konnten uns noch mal ein wenig erholen, und es gab ja auch keine Notwendigkeit, uns noch einmal beweisen zu müssen.” In der Tat: Für die Weltmeistercrew war es seit Olympia 2008 der 34. Erfolg in Serie.
Dass die Konkurrenz aus taktischen Gründen noch nicht sämtliche Reserven mobilisiert haben könnte, mag der Bergedorfer nicht ausschließen. Es macht ihn aber auch nicht nervös: “Wir haben das Rennen von der Spitze aus bestimmt. An der Leistung gab es nichts auszusetzen.” Den Kanadiern habe man jedenfalls anmerken können, dass sie diese Niederlage sehr gewurmt hat.

Johannesen steht mit seinen 23 Lebensjahren noch am Beginn der Leistungssportkarriere, will vom Herbst an Wirtschaftsingenieurswesen studieren, aber auch seine sportliche Laufbahn auf jeden Fall fortführen. Auch Wichert (25) liebäugelt damit, bis zu den Spielen 2016 in Rio de Janeiro weiter zu rudern. Beschäftigen will er sich mit dem Thema aber noch nicht. Jetzt gilt die volle Konzentration erst einmal der Aufgabe in London, wo die olympischen Endläufe mit einer möglichen Hamburger Beteiligung am 1. August (Achter) und 2. August (Vierer) ausgetragen werden.
Die Resultate des deutschen Leichtgewichtsvierers auf höchster internationaler Ebene scheinen dabei durchaus steigerungsfähig. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking gewann Seibt mit seiner damaligen Crew zwar den Vorlauf, musste danach aber wegen einer Virusinfektion passen. Bei der WM 2010 in Neuseeland belegte der Hamburger knapp geschlagen Rang vier. Das Ziel des Mittdreißigers für London ist fest umrissen: eine Medaille gewinnen und anschließend die Sportkarriere beenden.

Am Montagabend wurden die drei Ruderer sowie die weiteren Mitglieder des “Team Hamburg – London” bei einer Veranstaltung im Blockbräu an den Landungsbrücken offiziell vor ihrer Abreise nach London verabschiedet.
Werner Langmaack

 
 
  •  
     

    Impressum | Kontakt | Links

     

    © Seibt / Wichert | supportet by computerheini.de