Die Welt – Absagen trüben Premiere
Beim Ruder-Weltcup in Allermöhe sorgt der fragwürdige Startverzicht der Engländer, Franzosen und Niederländer für Unmut – 750 Athleten aus 35 Nationen sind aber dabei
Härtester Gegner des Deutschland-Achters dürfte jetzt das Boot aus Polen sein
Matt Smith, Repräsentant des Weltruderverbandes Fisa, beliebte zu scherzen: “Ich freue mich, Sie alle gesund und munter anzutreffen und nicht im Hospital besuchen zu müssen.” Mit diesen Worten begrüßte der US-Amerikaner Sportler, Funktionäre und Medienvertreter an der Wettkampfstrecke in Allermöhe. Damit spielte Smith auf die ärgerlichen Reaktionen von Briten, Franzosen und Niederländern an, die ihre Teilnahme am Hamburger Ruder-Weltcup wegen vermeintlicher gesundheitlicher Gefahren durch den EHEC-Erreger kurzerhand abgesagt hatten. Die Negativentscheidung sei, so Smith, infolge eines Informationswirrwarrs zustande gekommen: “Es gab eine nicht näher spezifizierte Warnung der Weltgesundheitsorganisation, WHO, und im Internet schwirrten die widersprüchlichsten Darstellungen herum.” In dieser undurchsichtigen Gemengelage hätten sich die Briten, die ursprünglich mit 85 Athleten in die Hansestadt kommen wollten, als Erste gegen die Anreise entschieden.
Inoffiziell fügte der Fisa-Executiv-Direktor später noch hinzu, dass die britischen Ruderer bei den Olympischen Spielen 2012 im eigenen Land unter enormem Erfolgsdruck stünden. Das im Verein mit der Furcht, durch eine Infektion könnte die gesamte, langfristig angelegte Vorbereitung durcheinandergeraten, dürfte zu dieser übernervösen Reaktion geführt haben. Dies ist ein schwacher Trost für den Hamburger Ruderverband, denn damit fällt die Hauptattraktion der heute (9.30 bis 17.30 Uhr) beginnenden Veranstaltung mit 750 Sportlern aus 35 Nationen ins Wasser: Das erneute Duell des Weltmeisters mit dem Vizeweltmeister, des Deutschland-Achters mit Großbritannien, war nicht nur in Fachkreisen mit einiger Spannung erwartet worden. Jetzt dürfte das Paradeboot Polens den Deutschen am ehesten etwas entgegenzusetzen haben. Kürzlich beim Weltcup in München kamen die Polen dichtauf als Dritte ins Ziel. Das Finale der fünf verbliebenen Achter ist für Sonntag, Punkt 14.04 Uhr, angesetzt.
Durch die Absagen dürfte ein öffentlichkeitswirksamer Erfolg der für Hamburg einzigartigen Regatta zumindest in Mitleidenschaft gezogen werden. Ohnehin rechnen die Organisatoren mit allenfalls 5000 Zuschauern an allen drei Tage zusammen gerechnet – gutes Wetter vorausgesetzt. Auf Zielhöhe wurde eine mobile Tribüne für 1500 Besucher zusammengeschraubt. Während für einen bunten Plastikschalensitz hier 15 Euro Eintritt zu entrichten sind, können Neugierige die Rennen auch kostenlos vom Ufer der Gegenseite, genannt “Naturtribüne Süd”, aus verfolgen.
Die Stadt Hamburg hat in die Renovierung ihres Wassersport-Schmuckstücks drei Millionen Euro gesteckt. Ein zeitgemäßer Zielturm wurde errichtet, und die Uferbefestigungen wurden fernsehgerecht ausgestaltet. Der NDR überträgt am Sonnabend von 16.30 bis 17.30 Uhr und am Sonntag von 15.35 bis 16.15 Uhr. Außerdem ist die Strecke von sechs auf acht Bahnen verbreitert worden, was den Anforderungen der Fisa an internationale Großveranstaltungen entspricht. Sogar seitliche “Windeinfalltore” wurden geschlossen, um allen Booten möglichst faire Bedingungen zu gewähren.
Gleich vier Athleten aus Hamburg und Umgebung wollen ihre Anwartschaft auf ein Olympiaticket 2012 unterstreichen. Eric Johannsen, der normalerweise im Achter rudert, fährt in Allermöhe im Vierer ohne Steuermann, Max Munski, der gleichfalls auf einen Platz im Deutschland-Achter spekuliert, ist von Bundestrainer Ralf Holtmeyer für den Zweier ohne eingeteilt worden. Ein rein hamburgisch besetztes Boot wird im Zweier-ohne-Leichtgewichtsrennen zu Wasser gelassen: Bastian Seibt und Lars Wichert wollen dem Publikum und sich selbst einen einheimischen Triumph schenken.
(Werner Langmaack)