Rudern in Hamburg – Leichtgewichts-Zweier ohne

Jul 31 2011

Beitrag von Bastian

Welt am Sonntag – London, wir kommen

Mit der Kampagne “Waterkant United” unterstützen Stadt und Wirtschaft Nachwuchs- und Spitzenathleten finanziell auf ihrem Weg zur Sommerolympiade 2012

Wenigstens heute kann Lars Wichert ein bisschen ausspannen, bevor am Montag der Uni-Stress wieder beginnt. Die vergangenen zweieinhalb Wochen verbrachte der 24-Jährige mit seinem Ruder-Kollegen Bastian Seibt im süddeutschen Breisach. Im Trainingslager absolvierten die beiden rund 20 Trainingseinheiten pro Woche. Sie arbeiteten im Kraft- und Ausdauerbereich. Hinzu kamen Einheiten auf dem Wasser, wo sie im Zweier ohne Steuermann Kilometer um Kilometer zurücklegten. Die Schinderei hat nur ein Ziel: eine mögliche Teilnahme an der Sommerolympiade 2012 in London.

Wichert studiert an der Universität Hamburg Bewegungswissenschaften sowie Medien- und Kommunikation. In den kommenden Tagen wird er wieder intensiv an seiner Bachelor-Arbeit schreiben, für die er im Trainingslager keine Zeit fand. Um mit all den anderen deutschen Athleten am Eröffnungstag in London einzumarschieren, scheut das Mitglied vom Ruderklub Alemannia Hamburg – natürlich – keine Mühen.

Damit der große Traum überhaupt wahr werden kann, wird Wichert vom Team Hamburg unterstützt, eine gemeinschaftliche Aktion vom Sport-bund, dem Olympiastützpunkt Hamburg / Schleswig-Holstein, der Handelskammer, des Sportamts sowie hiesigen Wirtschaftsunternehmen. Der Zusammenschluss will ambitionierten Sportlern in finanzieller und ideeller Hinsicht helfen.

“Ich muss nichts schönreden. Für mich ist das Team Hamburg fast überlebensnotwendig, da mir meine Eltern finanziell nicht unter die Arme greifen können”, sagt Wichert. Bis zum Ende des Jahres will er die wissenschaftliche Arbeit an der Universität abgeben, um sich 2012 voll auf London konzentrieren zu können. Die Entscheidung fällt spät. Erst im kommenden Mai weiß Wichert, ob er überhaupt auf die britische Insel reisen darf. Er muss in der internen deutschen Rangliste ganz oben sein und die Tests auf dem Ruder-Ergometer sowie in der Langstrecke auf dem Wasser über sechs Kilometer mit Spitzenwerten bewältigen.

Gefördert werden Athleten wie Wichert mit zwei unterschiedlichen Förderprogrammen: Zur Förderstufe eins zählen Sportler, die einem A-, B- oder C-Bundeskader angehören. Sie dürfen sich aufgrund der bereits erbrachten Leistungen auf nationalem und internationalem Parkett berechtigte Hoffnungen auf eine Teilnahme an den Spielen an der Themse machen. Derzeit sind 26 Athleten, darunter auch Wichert, und vier weitere für die anschließend stattfindenden Paralympics dieser Stufe zugeteilt. Stufe zwei fördert aktuell 32 Talente, die das Fernziel Rio de Janeiro 2016 anpeilen.

“Der Senat hat das Thema Spitzensport seit längerer Zeit als wichtiges Feld begriffen. Wir wissen, dass die Athleten nicht zuletzt Repräsentanten unserer Stadt sind und deshalb liegt uns etwas daran sie zu unterstützen”, sagte Staatsrat Karl Schwinke anlässlich der Präsentation der zugehörigen Kampagne, die am Mittwoch im Hamburger Rathaus stattfand.

“Waterkant United” lautet das Motto, dessen Schlagworte die Verbundenheit der britischen Metropole und der englischsten Stadt Deutschlands darstellen soll. Auf Plakaten, die seit einigen Tagen an vielerlei Orten der Stadt zu sehen sind, werden angehende Olympioniken aus der Hansestadt mit Regenschirmen in der Hand, beim “britischen” Picknick im Park oder in roten Doppeldeckerbussen gezeigt. “Ich finde die Absicht gut, die Umsetzung nicht so. Es wird nicht immer deutlich, dass sich die Sportler in britischen Umfeldern befinden”, sagt Ingo Müller, Creative Director bei der Hamburger Werbeagentur Kolle Rebbe.

Die Sportler der ersten Förderstufe erhalten 450, diejenigen der zweiten 200 Euro pro Monat. Daraus entsteht eine Gesamtsumme von knapp 239 000 Euro pro Jahr, welche das Team Hamburg den Sportlern zur Verfügung stellt. “Es war einfacher als vor vier Jahren die Geldgeber aufzutreiben. Zu den Überzeugungstätern von 2008 kamen bis heute vier weitere Unternehmen dazu”, sagt Vorstandsmitglied Ingrid Unkelbach.

Drei Kriterien müssen die Athleten erfüllen, um überhaupt für die Förderung in Frage zu kommen: Ihr Lebensmittelpunkt muss in Hamburg sein. Sie müssen für einen hier ansässigen Verein starten und dem Olympiastützpunkt Hamburg / Schleswig-Holstein zugeteilt sein. “Ich brauche das Geld in erster Linie für Trainingskleider sowie Nahrungsmittelergänzungen, und ich weiß nicht, wie ich es ohne den Zuschuss schaffen sollte”, sagt Wichert. Er ist froh, dass sein Einsatz wertgeschätzt wird, gerade weil sich der gebürtige Berliner selbst stark mit der Stadt, in der er lebt, identifiziert.

Das Modell wurde zu den Spielen in Peking 2008 das erste Mal umgesetzt. Und es scheint, als ob sich das Konzept nicht nur bei den Athleten, sondern auch bei der Hamburger Wirtschaft positiv eingeprägt hat. Wird den hiesigen Unternehmen zuweilen vorgeworfen, dass sie den Nachwuchs nicht in genügendem Maße fördern und traditionsreiche Spielstätten verkommen lassen, scheint das Team Hamburg und sein Zuwachs an Sponsoren diese These zu widerlegen: Die Beteiligungsbeiträge werden in zwei Stufen aufgeteilt: Premium-Partner zahlen 10 000, Partner 5000 Euro pro Jahr.

Für die Sportler gibt es keine Garantie auf die Zuschüsse. Auch hier gilt – wie im Wettkampf – das Leistungsprinzip. “Aufstiege in den Stufen sind ebenso möglich wie Abstiege. Fällt jemand aus dem Team Hamburg raus, muss er die Fördermittel zurückzahlen”, sagt Unkelbach. Aktuell werden Athleten aus den Sportarten Segeln, Schwimmen, Beachvolleyball, Hockey, Rudern, Leichtathletik, Badminton, Judo, Turnen und Tennis gefördert. Hinzu kommen paralympisches Segeln, Bogenschießen, Basketball und Radfahren. (Roger Stilz)

 
 
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